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Christoph Beck: Wozu FamilienUnternehmen weiter denken?

Ich war Nachfolger in einem Familienunternehmen und von Geburt an Hoffnungsträger. Ich sollte das Familienunternehmen von der dritten in die vierte Generation führen. Nachfolger sein, heißt: Hoffnung und Lebenssinn in der Familie und für das Unternehmen schüren. Und darum ist das Thema Nachfolge auch in wissenschaftlicher Literatur und bei professionellen Berater*innen so beliebt und gut erforscht. Man hält das positive Denken und die Hoffnung auf den Fortbestand des Familienunternehmens aufrecht.

Und das ist auch gut so. Familienunternehmen sind eine besondere Unternehmensform. Sie vermögen ungeahnte Potentiale sowohl im Unternehmen als auch in der Familie zu entfesseln. Das Familienunternehmen als Gattung wird daher hoffentlich noch lange unsere Volkswirtschaft in jeder Hinsicht bereichern.

Doch für Familienunternehmen gilt: jedes Einzelne ist ein besonders lebendiges Wesen und als solches hat es einen Anfang und auch ein Ende.

Ich bin nicht nur als Nachfolger sozialisiert worden, sondern ich habe auch vor 30 Jahren das Ende unseres und dann weiterer Familienunternehmen erlebt. Ich habe erfahren, dass vor, am und nach dem Ende vieles anders ist als bei der Gründung und beim Generationswechsel. Über das Ende wurde nicht geredet und am Ende bekommt man keinen Rat, keine Unterstützung, keine Wegweisung. Man steht unvorbereitet in unbekanntem Terrain. Und seitdem bewegt mich die Frage: wie gelingt ein gutes Ende als Familienunternehmen.

Es sind selten die Ratio und die Hoffnung, die das Ende treiben, sondern häufig die Ratlosigkeit, die Angst und die Scham, vor allem je länger man dieses Thema ignoriert, dämonisiert und hinauszögert.

Ich habe viel über das „Ende als Familienunternehmen“ nachgedacht und bin immer wieder in den Austausch gegangen, unter anderem in einem Arbeitskreis zu diesem Thema mit Gleichgesinnten und gemeinsam mit Prof. Dr. Fritz Simon, seinerzeit Leiter des Instituts für Familienunternehmen an der Universität Witten-Herdecke.

Angesichts des dynamischen und disruptiven Wirtschaftsumfeldes und der zunehmend kürzer werdenden Innovationszyklen wird das Überleben für Familienunternehmen immer schwieriger. Daher macht es aufgrund meiner Erfahrungen Sinn, über das Ende als Familienunternehmen als systemimmanente Option nachzudenken, es radikal und unternehmerisch von seinem Ende her zu denken und damit neuen Perspektiven und Möglichkeitsräumen eine Chance zu geben. Das Ende als Familienunternehmen braucht neue Narrative und Landkarten und letztlich unternehmerische Initiativen und Strategien. Das Ende und der Ausstieg aus dem Familienunternehmen sind eine Option für etwas Neues. Daher sehe ich im Ende und Ausstieg auch einen kreativen, unternehmerischen Prozess. Mit “FamilienUnternehmen weiter denken” wollen wir hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Meine langjährigen Beratungserfahrungen in strategischen Projekten und transformativen Prozessen in Familien- und Nicht-Familienunternehmen haben mir gezeigt, dass vor allem ergebnisoffene Gespräche und gemeinsames Nachdenken helfen, neue Perspektiven zu entwickeln, sei es für Familien, einzelne Familiengesellschafter oder das Unternehmen. Denn es ist die Qualität des gemeinsamen Denkens, die die Qualität der Entscheidung und des Handelns bestimmt.

Christoph Beck