Unser Denken über Familienunternehmen war bisher geprägt vom Mythos der Ewigkeit. Doch wir kommen immer mehr zu der Erkenntnis, dass wir auch von der Realität der Begrenztheit und der Zeitlichkeit ausgehen sollten. Denn Fakt ist, dass sie irgendwann als Familienunternehmen enden.
Wir haben unsere Initiative mit sieben Thesen zum Thema „erfolgreiches Ende als Familienunternehmen“ gestartet. Unsere Workshops, Online-Befragungen und ThinkTalks haben diese Thesen einerseits bestätigt; andererseits haben sie unseren Blick erweitert hin zum aktiven, dynamischen Managen und Gestalten des Familienunternehmens in seiner Begrenztheit. Diese hat diverse Facetten: Finanzen, Werte, Kompetenzen, Identitäten, Familiendynamiken, Marktentwicklungen und vieles andere mehr können einzeln oder in ihrem Zusammenspiel zur Grenze werden. Darüber haben wir viel erfahren und werden davon erzählen.
Mit einem erweiterten und vertieften Führungsverständnis und einer offenen Haltung, welche diese Dimensionen der Begrenztheit und Zeitlichkeit aktiv integriert, können Familienunternehmen sich erfolgreich weiterentwickeln und auch erfolgreich als solche enden.
In diesem Teil 1 werden wir zunächst die Reaktionen und Rückmeldungen auf unsere Initiative vorstellen und was wir daraus gelernt haben. Im Teil 2 werden wir die Thesen, weiterentwickelt zu Leitlinien für ein aktives Managen der Begrenztheit und Zeitlichkeit von Familienunternehmen in der Übersicht darstellen. In den darauffolgenden Beiträgen werden wir die sieben Leitlinien dann in diesem Sinne jeweils einzeln vertiefen.
Was haben wir aus unserer Namensfindung gelernt?
Egal wie man es nennt, auf die Themen „Ende als Familienunternehmen“ und „Exit-FamilienUnternehmen“ haben wir häufig spontane, zum Teil heftige oder verdeckte Abwehrreaktionen und -emotionen erfahren. Wir haben diese und unsere Motive zur Namensänderung in unserem letzten Blog dargestellt.
Die heftigen Reaktionen sehen wir nicht zuletzt als Bestätigung unserer These, dass wir mit unserer Initiative ein Tabuthema berühren. Denn wer ein Tabu besprechbar machen will, bekommt es mit vielen, auch abwegigen Widerständen zu tun.
Welcher Realität für Familienunternehmen stellt sich unsere Initiative?
Uns ist bewusst, Familienunternehmen hegen am liebsten einen Ewigkeitsanspruch und werden getragen von einer dynastischen Perspektive: Familie und Unternehmen gehören zusammen und das auf ewig. Da ist kein Platz für ein Konzept von Endlichkeit. Das Ende, der Ausstieg oder ein Plan B kommen darin nicht vor, vielmehr werden sie tabuisiert, auch wenn es natürlich regelmäßig stattfindet.
- Denn Fakt ist: das Ende als Familienunternehmen ist systemimmanent. Sobald ein Unternehmen als Familienunternehmen beginnt, ist das Ende bereits vorgesehen.
- Fakt ist auch: Jedes Jahr steigen geschätzt mindestens genauso viele Inhaber und Inhaberfamilien in Deutschland aus ihren Familienunternehmen aus, wie es ihnen gelingt, einen familieninternen Nachfolger zu finden. Daher erreicht kaum ein Familienunternehmen die vierte Generation.
- Auch das ist Fakt: Jeder wünscht sich ein gutes Ende. Doch wenn die Familie aussteigt, dann endet bzw. ändert sich ganz viel und nicht immer nur zum Guten, sondern oft leider auch zum Schlechten. Unsere Beobachtungen zeigen, dass der Ausstieg für die Familie bzw. einige Familienmitglieder mit gravierenden Vermögens- und Identitätsverlusten verbunden sein kann. Für die einen bedeutet der Ausstieg Befreiung und Aufbruch, für die anderen Überforderung bis hin zur Perspektivlosigkeit.
- Und auch das ist Fakt: Wenn sich die Familie von ihrem Unternehmen trennt, lebt die Familie und in den meisten Fällen das Unternehmen weiter. Es eröffnet sich für beide eine neue Zukunft.
Welche Reaktionen erhielten wir auf unser Vorhaben?
Vor allem in unseren ThinkTalks mit Menschen, die aus einem Familienunternehmen ausgestiegen sind und mit Externen, die Familienunternehmer und Unternehmerfamilien begleiten und beraten, haben wir für unsere Beschäftigung rund um das Thema „Ende als Familienunternehmen“ einen kräftigen Rückenwind erhalten, d.h. ausnahmslose Bekräftigung, dass wir hier einem wichtigen Thema in unbekanntem Terrain auf der Spur sind, mit dem wir für Familien und Unternehmen wichtige Erkenntnisse und einen hohen Nutzen generieren:
„Es ist gut, wenn man zu diesem Thema forscht und es systematisiert“.
„Die Erweiterung des Familienunternehmensgedankens über das Ende von Familienunternehmen
hinaus ist gut, denn es eröffnet wichtige neue Perspektiven und provoziert existentielle Fragen:
z.B. Was hat Zukunft? Was bleibt?“
„Laufend und regelmäßig über das Thema Ausstieg als mögliche Option im Gesellschafterkreis zu
sprechen ist hilfreich, denn damit entsteht ein neues Bewusstsein für das Familienunternehmen.“
Welchen Nutzen sehen unsere Gesprächspartner in unserer Initiative?
Die vielen Geschichten, die uns von Ausgestiegenen zum Teil sehr offen und vertrauensvoll erzählt wurden, haben uns berührt. Und die Erzähler selbst waren dankbar und fanden es sehr hilfreich, das Selbst-Erlebte nochmals erzählen und anhand unserer Fragen mit uns gemeinsam reflektieren zu können.
Experten und Berater beschrieben ihre zahlreichen Erfahrungen und erhoffen sich von unserer Initiative Unterstützung für ihre eigene professionelle Arbeit mit Familienunternehmen.
Familienunternehmer erkennen den hohen Wert, „einen Plan B in der Schublade zu haben“, sprich, einen offen diskutierten und gemeinsam entwickelten Ausstiegsplan für den Fall, dass man an die Grenzen des eigenen Familienunternehmens stößt. So bleibt man wachsam und auch handlungsfähig.
Wir freuen uns sehr über das hohe und wohlwollende Interesse an unserer Initiative und über die vielen Inputs und Fragen und auch durchaus kritischen Überlegungen. Für uns ist das ein wichtiger Ansporn!
Christoph Beck und Toni Plonner im Dezember 2021